"No lifestyle. No advertising", so steht es im Vorwort des zweiten Bandes aus der Reihe übersee, die die Agentur Die Gestalten herausgibt. Ein verwirrendes Statement, da man doch bei angewandter Kunst davon ausgeht, dass sie eben auch angewandt wird: auf ein Produkt oder ein Lebensgefühl. Dieses Buch aber kennt keine Kategorien. Die Werke, die hier abgebildet sind, stammen aus den K?pfen von Designern und Künstlern gleicherma?en, von Fotografen, Malern, Skulpteuren, Grafikern oder Zeichnern. Ebenso wie die Materialen und Stilmittel sich verflechten, so mischen sich in überseeauch die ?sthetiken und Genres. So frei, so gut. Der Band widmet sich haupts?chlich urbanen Themen, visuell und inhaltlich: An den Widersprüchen, zuf?lligen Kontrasten, ?sthetischen Widersprüchen und gestalterischen Juxtapositionen, die eine Stadt hervorbringt. Die Stadt als Organismus, der Graffitis, Architektur, Plakate, Formen, Moden, Strukturen, Muster und Oberfl?chen ausspuckt. So zum Beispiel die Street-Art von Swoop, der Papier-Reliefs an Berliner Hausw?nde und Türen klebt. Oder Derek Lerner, der das Treppenhaus einer Agentur in New York gestaltet hat, und zuf?llige Schmierereien integriert, erg?nzt, hinzufügt. Merkwürdig wirken die eindimensionalen Hausw?nde, die der Fotograf Frank Hülsb?mer in Berliner Hinterh?fen aufgenommen hat. Daneben stellen die Herausgeber phallische Comic-Explosionen von Christian Montenegro, die den an Mangas orientierten, ornamental-japanischen Drucken von Birgit Amadori gegenüberstehen. Auch Auszüge aus einem laufenden Internet-Projekt werden gezeigt: Futro, eine Plattform für globale Inspiration, zeigt ironisch kommentierte Portr?ts, die wie Sicherheitshinweise in U-Bahnen oder Flugzeugen wirken. Besonders hervorzuheben sind auch die schrillen, pink-schwarzen Grafiken von Eliezer Sonnenschein, einem Künstler aus Tel Aviv, die das Thema Krieg grotesk und brachial und ebenfalls mit einer an Fabeln erinnernden Comic-?sthetik aufarbeiten. Kunst, angewandt auf Politik. Die von Die Gestalten ausgew?hlten Installationen, Gem?lde, Computergrafiken, Fotografien und Skulpturen stellen anregende Fragen: Wohin geht die ?sthetik im neuen Jahrtausend? Wie ist der Stand der Dinge, Strukturen und wie der der Menschen, die es damit aushalten müssen? Beantwortet wird nichts. So frei, so gut. --Claudia Singer